
Dörfer sind wie Bäume: Sie haben Jahrringe, die das Wachstum bezeichnen. Von der autarken Dorfgemeinschaft, die auf ihren Höfen als Bauern lebte, zu den Zeiten der Fabrikarbeiter und der Autokultur der Pendler hat sich das Dorf in den letzten 200 Jahren in immer rasanterem Tempo gewandelt. Dennoch sind die einzelnen Jahrringe ablesbar geblieben – in den Dorfkernen und Weilern, in den Fabrikgebäuden und Kosthäusern, in den modernen Wohnblocks der Pendler, die die früheren Wiesen bevölkern. Mit dem baulichen Wandel einher ging der Wandel der Transportmittel. In enger Verknüpfung hat das wirtschaftliche Bedürfnis nach mehr und schnelleren Transporten nach besseren Verkehrsmitteln gesucht. Die besseren Verkehrsverbindungen wiederum waren der Motor für weitere Veränderungen. So suchte die Chemische Fabrik den Anschluss an das Schienennetz, bevor die Bahn am rechten Seeufer gebaut wurde durch die Anschaffung des Trajektschiffs. Andrerseits führte die Eröffnung der Eisenbahnlinien nach erfolgloser Gegenwehr der Schiffersleute zu einem fast völligen Zusammenbruch des Schiffverkehrs auf dem Zürichsee. Mobilität steht immer auch im Zusammenhang mit Veränderung. Während in früheren Jahrhunderten die Leute im Dorf lebten und arbeiteten und kaum je nur nach Zürich kamen, überbordet heute die Mobilität und die Veränderung. Geistige Enge und Überwachung weicht der absoluten Beliebigkeit und Gleichgültigkeit. Die rasanten Veränderungsprozesse führen auch zu Gegenreaktionen: das Dorf ist populär, man möchte auch weiter in der Geborgenheit einer dörflichen Umgebung leben, obwohl oder gerade weil viele Aspekte des Dorfes im Rückzug sind. Diesen vielfältigen Prozessen im Zusammenhang mit der Dorfentwicklung, den Jahrringen des Dorfes wollte diese Ausstellung nachgehen.


